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Ein schönes Kapitel der Lutherstadt hat nun im 21. Jahrhundert ein trauriges Ende gefunden: Das kleine Wittenberger Theater ist geschlossen worden. 1949, als es Deutschland schlechter ging als heute, als Elbe-Elster-Theater gegründet, nach dem Zusammenschluß mit dem Bernburger Carl-Maria-von-Weber-Theater dann als Elbe-Saale-Bühnen bekannt, ist es als Mitteldeutsches Landestheater zu Grabe getragen worden. Es hatte sich von einer in einem ehemaligen Tanzsaal von den Russen genehmigten Spielstätte zu einem Mehrspartentheater (Musiktheater, Schauspiel, Ballett, Puppenspiel, Kabarett) mit festem Ensemble entwickelt, das in der DDR einst das größte Gastspieltheater war.
Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wurde die Zahl der bespielten Orte und die Zahl der zurückgelegten Kilometer noch um einiges erweitert, und immer noch war es das größte Gastspieltheater mit eigenem Ensemble. Einst barg der Spielplan weit mehr Vorstellungen im Jahr als es Tage hat. Die Uraufführung zeitgenössischer dramatischer Werke wurde ebenso gepflegt wie die gern besuchte Operette, die Oper war nicht nur mit Mozart- und Lortzingwerken vertreten, „Der fliegende Holländer“ wurde ebenso wie „Aida“ gewagt. Und war es nicht der Monumentalismus oder die ausgefallene Inszenierung, die an großen Häusern beeindrucken, so war es die Verfügbarkeit am Ort, weshalb der Wittenberger die Chance hatte, einen sehr gesunden Querschnitt der Theaterliteratur unmittelbar und (meistens) unverfälscht kennenzulernen. Es ist auch nicht die Frage, ob nun immer alle alles genutzt haben, es ist etwas anderes, ob ein Kind zur Klassenfahrt einmal den „Freischütz“ in ihm neuer Umgebung sieht und hört oder ob es (vielleicht auch nur einmal im Jahr) bei sich daheim ins Theater geht, in der Zeitung, im Stadtgespräch das Theater aber immer präsent ist, man die Künstler zu sich in die Schule einladen kann, vielleicht sogar selbst die Chance bekommt, mit auf der Bühne zu stehen.
Aber die Stadt hat das Theater seit der Wende von Anfang an nicht gewollt. Aber dem alten Intendanten haben einfach alle zuhören müssen, er hatte die Zahlen, die Argumente. Was sich nach ihm dann Leitung nannte, war inkompetent, größenwahnsinnig und/oder suchtkrank, eine ideale Vorbereitung des Rechtsträgers für die Schließung des Hauses. Ein Oberbürgermeister meint, Wittenberg hätte auch noch anderes außer Luther, ein Landrat ist stolz darauf, Kulturbanause zu sein – Prost Mahlzeit.
Und mit dem Besuch der ehemaligen Kabarettbühne des Theaters „Brett’l Keller“ sind wir wieder auf dem Schloßhof angelangt, wir gehen über ihn hinweg, wenden uns um, sehen den Schloßkirchturm von der anderen Seite, sehen das alte Schloß, ehemals Jugendherberge und Naturkundemuseum, auch Gaststätte, gehen noch ein Stück weiter und schauen zum Schluß den alten, dicken Schloßturm hinauf.

Schloßturm