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Schauen wir wieder auf den Marktplatz, stehen wir natürlich vor dem Rathaus. Richtig viel Rathaus ist da allerdings nicht mehr drin, der deutsche Bürokratismus hat in das Renaissancegebäude einfach nicht mehr hineingepaßt.
Da nimmt sich doch das sogenannte Neue Rathaus viel monumentaler aus. In der DDR diente es den Kindern unserer sowjetischen Befreier als Schule, war dann entsprechend heruntergekommen, denn die Helden des Proletariats hatten ebensowenig Geld, wie die, die von ihnen befreit worden waren. Jetzt sieht das Neue Rathaus aber doch tüchtig nach Marshall-Plan aus.
Nun ist es nicht so, daß es hier keine Katholiken gäbe. Und seit in der Bürgermeisterstraße ein Haus weggerrissen wurde, sieht man sogar ihre Kirche. Wohl etwas kleiner, aber heißt trotzdem St. Marien, wie die große! Als das Photo entstand, baute die katholische Jugend gerade ein paar Bänke auf, um zu feiern, ist schon ein lustiges Volk.
Jetzt aber zu Melanchthon: Sein Denkmal steht neben dem Luthers auch auf dem Marktplatz. Philipp Melanchthon (bitte genau die Schreibweise merken, nicht einfach!) wurde am 16.02.1497 in Bretten geboren. Damals hieß er noch Schwarzerdt, da er aber ein begabter Griechischschüler war, übersetzte sein Lehrer den Namen einfach, und er behielt ihn dann auch bei. Da zeigt sich auch schon seine Begabung: Mit sieben Jahren erhielt er Unterricht durch einen Hauslehrer, mit elf auf der Lateinschule in Pforzheim, mit zwölf an der Universität zu Heidelberg, um mit vierzehn mal eben den Baccalaureus artium zu bestehen. Mit siebzehn Magister an der philosophischen Fakultät Tübingen, seitdem auch selbst Lehrtätigkeit, wird er im zarten Alter von 21 Jahren an die Wittenberger Universität als Professor für Griechisch berufen, gibt im selben Jahr eine griechische Grammatik heraus und kündigt gleich bei seiner Antrittsrede eine Studienreform an. Im Vorwort zur Grammatik steht geschrieben: „Die Studien, die Verstand und Sitten bilden sollten, sind vernachlässigt, von umfassendem Wissen ist nichts vorhanden...“ Das ist 1518, nicht die PISA-Studie! Die Aufzählung der Erfolgskarriere soll hier beendet werden, nachdem erwähnt wird, daß er auch die hebräische Sprache unterrichtete. Während Luther das Neue Testament auf der Wartburg (nicht ohne Tintenfässer gegen die Wand zu werfen) aus dem Griechischen ganz gut allein bewältigte, war er beim Alten Testament aus dem Hebräischen zuweilen auf etwas Hilfe angewiesen, und da war dann Melanchthon. Durch die Reichsacht verhindert, konnte Luther auch nicht einfach so auf Reisen gehen und auf Reichstagen seine Ideen verkünden, und da war dann Melanchthon. Nicht umsonst heißt ihn die Geschichte auch den „Lehrer Deutschlands“, den Praeceptor Germanii.
Warum so viel über Melanchthon und woher ich weiß, wie er geschrieben wird? Also letzteres war das erste, was man uns in der Abiturstufe an der Erweiterten Oberschule „Philipp Melanchthon“ beibrachte. Jetzt ist sie ein Gymnasium und besinnt sich hoffentlich ihres Namens. Wir haben damals nichts sonst über den großen Lehrer der Deutschen erfahren, auch nicht viel über Luther, obwohl in der schönen großen Aula das Wandgemälde und der Spruch „Ich bin hindvrch“ zweifelsohne an eine große Tradition anknüpfen wollen.